Vor Jahren, als ich mit meiner Frau noch in einem Nachbarort lebte, waren wir – wie es sich für Studenten und, naja, Faulenzer gehört – gute Kunden beim örtlichen Dönerladen.
Dort gab es drei oder vier verschiedene Mitarbeiter, von denen einer überdurchschnittlich häufig überdurchschnittlich mies gelaunt war.
Eines Tages nahm meine Frau den ersten Bissen von ihrem Döner, den ich mitgebracht hatte, und sagte: „Den hat doch schon wieder der Wütende gemacht.“
Sie schmeckte es. Und das nicht nur bei dieser Gelegenheit. Sondern jedes Mal.
Und während das vielleicht ein wenig nach esoterischem Getue klingt, ist es doch so, dass es sich Unternehmen – egal welcher Branche – nicht erlauben können, lieblos zu sein. Das rächt sich. Man merkt es der Arbeit an.
Sie haben die Anführungszeichen um das Wort „Werbebrief“ vermutlich wahrgenommen.
Was ich fand war Folgendes (und ja, der Brief war tatsächlich so gefaltet, als hätte mein Dreijähriger die Finger im Spiel gehabt):
Ich weiß ja nicht, wie’s Ihnen geht, aber zunächst dachte ich, ein paar Kinder aus der Nachbarschaft wollten uns einen Streich spielen.
Oder dass unser Vermieter uns schnell eine Notiz hinterlassen musste und keine Zeit hatte, den Brief ordentlich zu falten oder – nicht auszudenken! – das Ganze gar in einen Briefumschlag zu stecken.
Bei näherer Betrachtung jedoch, war es nichts von beidem.
Bei dem Schreiben handelte es sich um einen Werbebrief einer regional tätigen Versicherungsagentur eines sehr großen deutschen Versicherers.
Aufgeklappt sah das Schreiben folgendermaßen aus. Nehmen Sie sich die Zeit zum Genießen.
Vorweg: Mir geht es hier nicht darum, irgendjemanden bloßzustellen.
Ich habe sowohl den Versicherer als auch das Foto und die Namen der Verantwortlichen unkenntlich gemacht.
Vielmehr möchte ich Ihnen zeigen, dass Marketing nicht bedeutet, lieblos angefertigte, auf billiges 80-g-Papier selbst ausgedruckte Schreiben in die Briefkästen der Umgebung zu hauen.
Eine gute Faustregel lautet: Wenn du’s machst, mach es richtig.
Und: Es nicht zu tun, ist immer eine Option. In diesem Fall wäre es die bessere gewesen.
Man weiß gar nicht so recht, wo man anfangen soll bei diesem Schreiben.
Und das ist wörtlich zu verstehen.
Das Auge nimmt erst einmal den Wust an Bildmaterial im oberen Bereich wahr.
Nicht ganz klar ist, ob es sich bei dem „V“ oben links um ein Logo o.ä. handeln soll. Durch Zufall habe ich herausgefunden, dass es sich offenbar um das Logo der Deutschen
Vermögensberatung handelt.
Man erfährt, wer der Absender ist, nämlich die Versicherungsagentur XY.
Man sieht ein Bild der Mitarbeiter, was sicherlich kein schlechter Gedanke war. Auch der Versicherer, für den die Agentur tätig ist, erkennt man mit großem Logo.
Und dann steht da noch AKTION und ein wenig Text im unteren Bereich, bevor dann ganz unten die Adresse und Kontaktdaten zu lesen sind.
Fazit: Das Ganze wirkt ungelenk und selbst gemacht. Letzteres muss kein Nachteil sein, ist es aber in vielen Fällen. Gerade in Branchen, die als verlässlich und seriös gelten.
Nicht ganz klar wurde mir, warum man die Struktur des Schreibens so wählte, wie man es tat.
Wenn ich einen Brief bekomme, erwarte ich einen briefähnlichen Aufbau. Gut, da das Schreiben schlecht gefaltet und ohne Briefumschlag daherkam, darf man diesbezüglich wohl keine Ansprüche stellen. Es war ja de facto kein Brief.
Der Werbebrief sieht aber auch nicht wie ein innovatives Mailing aus.
So stelle ich mir die „Konzeption“ (haha) des Ganzen vor:
„Hey, Frank, was brauchen wir denn alles auf dem Schreiben?“
„Also das V-Logo, unseren Namen, ein Bild, unseren Versicherer und das Wort AKTION.“
Und dann hat man das Ganze exakt so angeordnet und es dabei belassen. Frank hat’s ja schließlich gesagt.
Das Zentrale einer Marketingbotschaft ist … Na? Naaaa?
Richtig, das Angebot.
Leider wird bei diesem Brief nicht klar, welches konkrete Problem die Versicherungsagentur für mich lösen kann, bzw. was der Zweck des Schreibens ist.
Es geht darum, Ordnung in die Unterlagen zu bringen. Okay, hätte ich auch mal nötig. Aber WIE läuft das ab? Kippe ich einem netten Mitarbeiter eine ganze Schublade ungeordneter Papiere auf den Schreibtisch, der sortiert sie, heftet sie wieder ein und ich gehe gut gelaunt und organisiert wieder nachhause?
Das wage ich zu bezweifeln. Schließlich will die Agentur irgendetwas verkaufen. Und das ist völlig legitim. Nur sollte sie es dann auch sagen.
Es bleibt völlig unklar, wie das Ganze ablaufen soll. Kurz: Das Angebot ist nicht ersichtlich. Oder anders: Der Brief beantwortet nicht die essenzielle Frage: „Was habe ich davon?“
Erschwerend kommt hinzu, dass das „Angebot“ in zwei Floskeln eingebettet ist:
Ich möchte als Briefempfänger ja gar nicht vergleichen. Ich habe ja nicht einmal um den Brief an sich gebeten. Warum sollte ich überhaupt bei einem kostenlosen Angebot vergleichen? Bietet eine andere Versicherungsagentur diese ominöse Dienstleistung für noch kostenloser an?
Tipp: Bevor Sie Floskeln verwenden, schauen Sie, ob Sie den Satz vielleicht streichen können (Hinweis: In 90% der Fälle ja.)
Ich verzichte darauf, hier noch einmal alles aufzulisten, was nicht passt.
Der Brief verfehlt vollkommen seine Wirkung. Mir ist als Empfänger weder klar, was konkret angeboten wird, noch erweckt die Aufmachung des Ganzen Lust, mich näher mit dem Unternehmen zu beschäftigen. Es wirkt schlichtweg behelfsmäßig.
Noch einmal: Wenn Sie Marketing betreiben, machen Sie es richtig. Überlegen Sie: „Was will ich kommunizieren?“, „Wie will ich wirken?“, „Welche Emotionen will ich erzeugen?“ „Was soll der Kunde tun?“ und vor allem: „Was sind sinnvolle Schritte dahin?“
Dann und nur dann, ist Marketing sinnvoll: Wenn am Ende mehr dabei herauskommt als man hineinsteckt.
Dafür sollte man sich vorbereiten. Oder jemanden beauftragen, der sich damit auskennt.
Autor: Christian Krauß